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Datum:04.12.12
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Der NDR berichtet über Linden. Diskussion über Gentrifzierung

Link:www.ndr.de/regional/niedersachsen/hannover/linden111.html
Details:Es klirrt und scheppert, Kisten werden gepackt, Regale getragen - es ist der letzte Tag der Getränkemarkt-Ära an der Dieckbornstraße in Hannover-Linden. Mehr als 40 Jahre kauften die Lindener hier ihre Getränke. Bald wird die Straßenecke in Lindens Mitte ein modernes Antlitz bekommen - mit Kinderwagen statt Sackkarren. Ladenbesitzerin Claudia Tadje muss dem Neubau mit ihrem "GetränkeKult" weichen.
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Details2:Lindener fürchten Gentrifizierung
"Ich bin traurig", sagt Claudia Tadje. Damit spielt sie nicht nur auf die Veränderungen an, die der Umzug ihrem Geschäft aufzwingt. Seit Längerem beobachtet sie, wie sich ihr Stadtteil verändert. Neue, teure Eigentumswohnungen entstehen, nur einige Hundert Meter weiter haben sechs alteingesessene Läden einem großen Bio-Discounter Platz gemacht. Stadtteile verändern sich, das bringt die Zeit eben mit sich. Viele Lindener aber befürchten ein Phänomen, das auch andere Städte wie Hamburg oder Bremen betrifft - Gentrifizierung.

Anlaufstellen schaffen
Bei der Landeshauptstadt will man von solch einem Trend nichts wissen: "Nach unserer Analyse [...] kann in Linden nicht festgestellt werden, dass es zu einer [...] Verdrängung einkommensschwächerer Bevölkerungsgruppen und damit zu Gentrifzierung gekommen ist." Einzelfälle seien aber nicht auszuschließen, heißt es vonseiten der Stadt. Steffen Mallast, Ratsfraktionsmitglied der Grünen in Linden-Limmer setzt sich dafür ein, das Thema Gentrifizierung an die Öffentlichkeit zu bringen. Als Mitglied der "Kampagne Ahoi" war er auch bei einer Hausbesetzung in Linden-Nord aktiv. Das Haus wurde mittlerweile abgerissen, ein Neubau soll entstehen. "Linden-Nord war immer ein Sanierungsgebiet. Bei der großen Abrisswelle in den 70er-Jahren gab es ein Sanierungscafé, das als Anlaufpunkt für Anwohner diente. So etwas brauchen wir heute auch wieder", sagt Mallast. Lindener, denen zum Beispiel gekündigt werde, sollen dort Beratung finden können.

Das Ende eines Modegeschäfts
Claudia Tadje suchte ebenfalls Hilfe, als ihr Vermieter die Kündigung für ihr Ladengeschäft aussprach. "Ich war erst elf Monate drin, habe einiges investiert. Aber der Gentrifizierungsbeauftragte konnte da auch nichts mehr machen." Ähnlich machtlos waren die Ladeninhaber auf der nicht weit entfernten Limmerstraße. Jahrzehntelang wurden ihre Mietverträge wieder und wieder verlängert. Im Sommer vergangenen Jahres kam dann die Kündigung. 2010 hatte das Gebäude den Besitzer gewechselt. Und der hatte andere Pläne. "Klar war nicht jeder begeistert, aber wir glauben und hoffen, dass es unterm Strich mit der neuen Lösung allen gut geht", sagt Robin Kindler, neuer Hauseigentümer neben Geschäftspartner Tim Fries.

Weitestgehend stimmt das. Einige der Geschäftsleute sind mit ihren neuen Standorten durchaus zufrieden. Selbst der Inhaber des seit mehr als 80 Jahren ansässigen "Menzel-Electronic" sieht den Umzug positiv. Für Hartmut und Helga Reents hingegen war die Kündigung gleichbedeutend mit ihrer Geschäftsaufgabe. Die Inhaber eines Bekleidungsgeschäfts sind beide über 70 Jahre alt. Ein Umzug kam für sie nicht mehr infrage. "Zwei Jahre wollten wir gerne noch machen. Auch um positiv aus dem Geschäftsleben zu treten. Es laufen noch Kredite", sagt Hartmut Reents. Die Eheleute klagten - erfolgslos. Als sie an das Oberlandesgericht verwiesen wurden, war für sie Schluss. "Die Verluste waren da schon so groß, das wollten wir nicht riskieren."

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Details3:Kleine Geschichte von Linden
Urkundlich erwähnt wird Linden erstmals zwischen 1097 und 1120. Der Name geht zurück auf eine mittelalterliche Gerichtsstätte, die sich im heutigen Linden-Mitte am Schwarzen Bären befunden haben soll - ein Platz umgeben von Linden-Bäumen. Im 13. Jahrhundert verdienen einige Arbeiter im Steinbruch ihr Geld. Die meisten Dorfbewohner aber sind unfreie Bauern. Das damalige Hannover ist durch eine Stadtmauer und die Ihme von Linden getrennt. Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts mausert sich das Dorf zu einer Art Villenvorort von Hannover. Die 1830 einsetzende Industrialisierung stoppt diese Entwicklung. Unter anderem bauen die Unternehmer Johann und Georg Egestorff die Rohstoffzulieferung für Hannover zu einem Imperium aus. 1885 wird das Dorf Linden mit 23.500 Einwohnern zur Stadt Linden. 1920 folgt die Eingemeindung nach Hannover - Linden existiert seit dem nur noch als Stadtteil.
Quelle: Stadtlexikon Hannover

450.000 Euro pro Appartment
Auch Claudia Tadje zahlt jetzt noch für die Renovierung eines Ladens, der ihr gar nicht mehr gehört - und der bald nicht einmal mehr stehen wird. Fünf bis sechs Wohnungen sollen in dem Neubau entstehen, Tiefgaragen, Balkone. Für jeweils 150 Quadratmeter werden 450.000 Euro veranschlagt. Im Erdgeschoss haben die Eigentümer Anschluss zum Garten. Und weil der vom Stadtplanungsamt gewünscht ist, ist es laut Wolfgang Toenne von der Boden & Wert Immobilien GmbH auch nicht möglich gewesen, den Getränkemarkt im Neubau zu integrieren. Zudem hätte die neue Miete deutlich höher gelegen. Dass gerade dieser Standort für neuen Wohnraum besonders attraktiv ist, liegt für Toenne auf der Hand: "Es gibt Läden, die es in anderen Stadtteilen nicht mehr gibt. In der Innenstadt sind nur noch die Großen, kleine Geschäfte werden vertrieben. Hier ist die Vielfalt größer." Dass nun genau ein solch kleiner Laden vertrieben wird, sei schade. "Aber der zieht ja bloß um die Ecke", sagt Toenne und hat damit recht - die neuen Eigentümer haben es nicht weit bis zum Lichtenbergplatz.

Neues Linden?
"Linden ist die Hauptstadt von Hannover, so sagen wir immer", erinnert sich ein Zeitzeuge im Dokumentarfilm "Linden - Ein Arbeiterlied". Die Industrialisierung und den Aufbau von Arbeitersiedlungen hat er selbst miterlebt. Er steht für ein Lindener Selbstbewusstsein, das langsam ausstirbt. Das Arbeiterviertel entwickelt sich mehr und mehr zum Szenebezirk. Viele junge Menschen leben dort. Bars, Kneipen und Diskotheken bieten ein breites Freizeitangebot. Die Mieten sind über die letzten Jahre gestiegen. Der Einzug des großen Bio-Discounters an der Limmerstraße ist ein Indiz für die Entwicklung der Bevölkerungsstruktur. Neubauten wie an der Dieckbornstraße zielen auf eine kaufkräftige Zielgruppe. "Wir haben mal überlegt: Was wird denn das neue Linden? Wir wissen gar nicht, wo die Leute eigentlich irgendwann mal hinsollen", sagt Claudia Tadje. Ein neues Linden wird es wohl nicht geben können. An einem anderen Ort mögen Lindener noch Lindener sein, aber ihr Viertel läge dann in anderen Händen.
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